Der Verein HIRTENKULTUR macht es sich zur Aufgabe, Naturschutzarbeit mit Schaf, Ziege und Co. zu leisten, Interesse für Themen des Naturschutzes zu wecken und eine Brücke zur herkömmlichen Landwirtschaft zu schlagen.
HIRTENKULTUR strebt die Vernetzung und den Austausch mit Weidetier haltenden Betrieben an, bietet Informations- und Bildungsarbeit und sucht die Kooperation mit Vereinen, Forschungseinrichtungen und Akteuren des Naturschutzes.
Die aktive Behirtung mit Hirt*in und Hund ist wohl eine der ältesten Formen der Landwirtschaft. In einigen Ländern noch praktiziert, ist diese Kulturform in
Österreich beinahe verschwunden. Die großen Wanderherden sind Geschichte. Abgesehen von den in den Alpen umherziehenden Herden, kennt man dieses Bilder im deutschsprachigen Raum nur noch von den
Wanderschäfer*innen in Deutschland und vereinzelt aus der Schweiz und Südtirol.
Unser Ziel ist es, die letzten Hirten Österreichs miteinander und mit Hirt*innen aus anderen Ländern zu vernetzen, bei ihrer Arbeit zu
unterstützen und Veranstaltungen zu dem umfangreichen Thema anzubieten sowie selbst aktiv zu beweiden.
Die Landschaftspflege mit Weidetieren steht dabei im Vordergrund. Schließlich ist diese Form der Weidewirtschaft diejenige, die am meisten Artenvielfalt hervor
ruft. Von selten gewordenen Blühpflanzen über Insekten, Reptilien, Amphibien und Vögel bis hin zu den großen Säugetieren. Alle profitieren von dem Erhalt der Kultur- und Naturlandschaft die durch
schonend weidende Tiere geschaffen wird.
Was wir heute sind haben wir Menschen den Nutztieren zu verdanken, ohne die eine Entwicklung zum modernen Menschen nicht möglich gewesen wäre. Seit Jahrtausenden begleiten Ziegen, Schafe, Hunde und Pferde den Menschen. Diese Verbindung hat etwas hervorgebracht, dass an Koexistenz kaum zu überbieten ist. Tiere die für uns Landschaften nutzbar machen, uns eine Nahrungsgrundlage bieten, uns mit Leder, Fell und Federn für Kleidung versorgen, uns Gesellschaft leisten und für uns Herden bewegen. Sie dienen uns als Reittier und prägen ganze Kulturen. Den Bezug zu der Hirtenkultur zu verlieren bedeuten also einen essenziellen Teil unserer Geschichte zu vergessen.
Jahre ist es her, dass die ersten Ziegen im nahen Osten domestiziert wurden. Ziegen zählen neben dem Hund zu den ältesten Gefährten des Menschen.
35 alte Weidetierrassen beherbergt Österreich, sie sind alle einst für unterschiedliche Zwecke entstanden.
Die ersten Hirten haben sich mit dem Ende der Eiszeit vor mehr als 13.000 Jahren aus Jägern und Sammlern in der Levante entwickelt.
"So oft der Kiebitz unter Aufbietung all seiner Flugkünste sein angestammtes Revier auch überfliegt, er findet
keinen Platz mehr für die Anlage eines Nestes. Seitdem die Mahd eingestellt wurde, steht das Gras zu hoch und der Bewuchs ist zu dicht.
Nicht weit davon entfernt muss auch der Neuntöter weiterziehen. Die Schlehen haben, seitdem sie nicht mehr von den Ziegen verbissen werden, sein Jagdrevier überwuchert. Auf einem nahe gelegenen
Trockenrasen hat der Schäfer seine Beweidung eingestellt. Nun breitet sich die Robinie immer weiter aus, die Ameisen-Bläulinge werden immer seltener und werden bald zur Gänze verschwunden
sein."
Wolfgang Pegler, Wagram Pur & Hirtenkultur
Kiebitz, Neuntöter, Ameisen-Bläuling und viele weitere Tier- und Pflanzenarten sind in unserer Kulturlandschaft von der Gestaltung ihrer Lebensräume durch den Menschen abhängig. Durch traditionelle bäuerliche Wirtschaftsweise, dazu zählt auch die Weidewirtschaft, entstanden Lebensräume. Durch die Aufgabe dieser Bewirtschaftungsformen können diese für viele Arten wieder an Wert verlieren.
Beweidung stellt eine seit Jahrtausenden erprobte Möglichkeit dar, Bedingungen zu schaffen, die für reiches Tier- und Pflanzenleben sorgen.
Was hat der Steinkauz mit Beweidung zu tun?
Steinkäuze benötigen für die erfolgreiche Jungenaufzucht ein vielfältiges Revier mit Höhlenstrukturen und genügend Beute wie Großinsekten, Kleinsäuger und Vögeln. Früher war es üblich, die
Streuobstwiesen und Kopfweidenkulturen zu beweiden, da es dort gutes Futter für Schafe und Ziegen gab. So wurden die Flächen um die Bäume offen gehalten was dem kleinen Kauz erlaubte, alles rund
um die Bruthöhle gut im Blick zu behalten.
Das Fallsobst und das Totholz lockten zahlreiche Futtertiere an und durch den niedrig gehaltenen Bewuchs konnte er Beutegreifer wie Marder und Katze früh genug erspähen. Steinkäuze verteidigen
ihre Jungen trotz ihrer geringen Körpergröße vehement, jedoch können sie dies nur, wenn sie den Feind rechtzeitig sehen. Die Aufgabe der Beweidung der Streuobstwiesen sorgte auch vielerorts für
das Verschwinden der nächtlichen Athene (was der lateinische Name Athene noctua bedeutet). In Österreich konnte sich die Art nur noch in begünstigten Regionen halten. Durch eine Wiederaufnahme
der Beweidung und Pflege von Streuobstwiesen kann diese seltene Eulenart gefördert werden und so vielleicht das nächtliche "Kommmit" wieder öfters in Obsthain und Weingarten ertönen.
Das traditionelle Bild eines Schäfers, der mit seiner Wanderherde umherzieht, gehört hierzulande leider schon des längeren nicht mehr zum Alltag. Aber auch
wenn die heutigen Hirt*Innen in Österreich nicht mehr täglich beim Vieh auf der Weide schlafen, bzw. nicht mehr monatelang über weite Strecken mit ihnen wandern, so gibt es sie dennoch. Es sind
vorrangig Idealisten, die mit ihren Tieren naturschutzrelevante Flächen extensiv bewirtschaften und so die Artenvielfalt fördern.
Nicht nur die enge Verbundenheit mit den eigenen Tieren, sondern auch der weite Blick auf das gesamte Ökosystem zeichnet sie aus. Gerade durch die Veränderung der Landwirtschaft in den letzten
Jahrzehnten, weg von klein bäuerlichen Strukturen mit Weidehaltung hin zu voll automatisierten Großbetrieben mit Tieren hinter verschlossenen Stalltüren, ging leider auch die Toleranz in einigen
Teilen der Bevölkerung verloren, Weidetiere mit all ihren Gerüchen und Geräuschen als Teil des ländlichen Raumes wahrzunehmen. Bürokratische Hürden und der Verlust von Weideflächen aufgrund der zunehmenden Verbauung beeinträchtigen die heutigen
Hirt*Innen bei ihrer Arbeit ebenfalls stark. Hinzu kommt noch die schrittweise Rückkehr der großen Beutegreifer wie z.B. Wolf, Bär und Luchs, die dazu drängen, sich wieder mit der Thematik
des Herdenschutzes auseinander zu setzen.
Auch die Preislage der tierischen Produkte auf dem Markt fordert den Tribut des Weiderückganges. Bei den beispielsweise derzeitigen Tiefpreisen für Milch können es sich nur die wenigsten leisten,
viel Zeit mit den Tieren auf Schutzflächen zu verbringen. Ein Teufelskreis, dem der Verein Hirtenkultur mit seinen Initiativen Einhalt gebieten möchte.
In all diesen Punkten stehen Hirtinnen und Hirten im täglichen Spannungsfeld der öffentlichen Meinung, zwischen Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Tierwohl und nicht zuletzt der Vereinbarkeit dieses Berufes mit dem privaten/sozialen Leben.
Bei all den Schwierigkeiten, die Hirt*Innen in der heutigen Zeit ausgesetzt sind, blicken wir dennoch hoffnungsvoll in die Zukunft. Immer mehr Menschen
erkennen den Wert, der von intakten Ökosystemen ausgeht und treffen vermehrt auch ihre Entscheidung beim Einkauf hinsichtlich Nachhaltigkeit, Vielfalt
und artgemäßer Tierhaltung.
Wir hoffen ihr unterstützt uns, in unserem Streben nach einer zukunftsfähigen, Vielfalt fördernden Form der Landwirtschaft.